Der Bundesgerichtshof hat durch Beschluss v. 10.6.2020 die Verurteilung des Angeklagten zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes aufgehoben (Az. 5 StR 109/20, PDF).
Dem 61jährigen Angeklagte war zur Last gelegt worden, 1987 einen Mord begangen zu haben. Das Landgericht Berlin hatte sein Verhalten bei der Festnahme als belastendes Indiz herangezogen. Es habe "keinerlei Unmutsäußerungen" von seiner Seite zum Tatvorwurf gegeben. Das sei aber "im Falle einer für ihn völlig überraschenden Festnahme wegen einer 30 Jahre zurückliegenden Tat, die er nicht begangen hat, nicht zu erwarten gewesen". Der Bundesgerichtshof beanstandet, dass das Schwurgericht hier zum Nachteil des Angeklagten mit einem Erfahrungssatz operiert, der nicht existiert.
Die Strafkammer hatte weiter zulasten des Angeklagten gewürdigt, dass er bei der Festnahme "lediglich darum gebeten habe, seine Lebensgefährtin benachrichtigen zu dürfen, und sich um einen Rechtsanwalt später kümmern zu wollen." Der Bundesgerichtshof hat auch dies beanstandet, denn nach § 136 Abs. 1 Satz 2 und § 163a Abs. 4 StPO darf der Angeklagte unbefangen darüber entscheiden, ob und wann er die Hilfe eines Verteidigers in Anspruch nimmt.
Abgesehen davon wurde das Urteil aufgehoben, weil das Landgericht nicht die Anforderungen an die Darstellung des Ergebnisses eines DNA-Sachverständigengutachtens bei Mischspuren beachtet hatte. Der Angeklagte wurde nach erneuter Hauptverhandlung rechtskräftig freigesprochen.
In dem Revisionsverfahren wurde der Angeklagte durch Rechtsanwalt Dr. Ralf Ritter verteidigt.